Viele Jahre feierten die Karbener Frauen den Internationalen Frauentag. 2021 ist das wegen Corona leider unmöglich. Birgit Scharnagl, unsere starke Spitzenkandidatin bei der Wahl zur Karbener Stadtverordnetenversammlung am 14. März, nimmt das Datum dennoch zum Anlass einmal mehr über Geschlechtergerechtigkeit nachzudenken.
Vor 110 Jahren, am 19.3.1911, demonstrierten Frauen in Österreich, Dänemark, der Schweiz und im Deutschen Reich, weil sie – wie die Männer – wählen wollten. Damals war das Deutsche Reich sehr fortschrittlich, die deutschen Frauen durften ab dem 12.11.1918 ihre Stimmen abgeben. Die US-Amerikanerinnen mussten zwei Jahre und die Schweizerinnen aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden sogar 72 Jahre länger warten.
Auch 1918 hatten die deutschen Frauen schon einen langen Weg hinter sich: Ab 1850 war es Vereinen, die in Versammlungen politische Themen erörtern wollten, verboten, Frauen aufzunehmen. Dieses Verbot wurde zwar im Mai 1908 aufgehoben, aber spätere Frauenvereine waren noch ständig von der Auflösung bedroht; denn die Polizei war bei jeder Versammlung anwesend, um die restriktiven gesetzlichen Bestimmungen zu überwachen.
An preußischen Universitäten wurden Frauen 1908 erstmals zugelassen. Der Juristin Elisabeth Selbert gelang es 1949, den Grundsatz „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ in Artikel 3 des Grundgesetzes festzuschreiben. Doch ihre Forderung löste in allen politischen Fraktionen Empörung aus.
Zum Glück erscheinen uns heute diese Rechte selbstverständlich. Aber der Blick zurück hilft vielleicht dabei, die Probleme von Frauen aus anderen Kulturkreisen zu verstehen. Es gibt noch viele Gesellschaften, in denen Frauen auch heute noch deutlich schlechter gestellt sind als in Deutschland.
Bei uns ist damit auch noch nicht alles gut; denn – zum Beispiel – gibt es sie noch, die Gender Pay Gap. Viele Frauen erhalten immer noch weniger Geld für ihre Arbeit als Männer in gleicher Position. Dies gilt für Frauen in verschiedenen Berufsgruppen mit und ohne Kinder, mit guter Ausbildung und auch im öffentlichen Dienst.
Deshalb sind Frauen stärker von Altersarmut betroffen als Männer. Solange vor allem die Erwerbsarbeit über die Höhe der künftigen Rente entscheidet, wird das so bleiben. Wer längere Zeit arbeitslos, mit Kindern daheim war oder „nur“ in Teilzeit gearbeitet hat, muss mit weniger Geld im Alter auskommen. Weder die spärliche Mütterrente noch Riesterverträge können diese Rentenlücke ausgleichen. Riester-Verträge werden zwar großzügig vom Staat gefördert, aber sie sind kompliziert. Bei der aktuellen Nullzins-Politik werfen sie meist keine Rendite ab und müssen in der Auszahlungsphase in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen werden. Wegen der Progression sollten Kundinnen sich die Beträge deshalb über mehrere Jahre verteilt auszahlen lassen.
Kindererziehung stellt insbesondere für Mütter immer noch ein Armutsrisiko dar. Junge Familien verzichten meist auf einen Teil ihres Einkommens, um mehr Zeit für die Kinder zu haben. Die Elternzeit ist mit viel Hausarbeit und wenig Schlaf verbunden. Sie ist kein Urlaub, sondern ein zwar sinnstiftendes, aber anstrengendes Ehrenamt. Wenn die Erziehung der Kinder misslingt, hat das nicht nur schlimme Folgen für die einzelnen Personen, es entstehen der Gesellschaft auch hohe Kosten. Wir sollten uns klar machen, dass niemand eine Rente bekommen kann, wenn keiner sich die Zeit nimmt, Kinder großzuziehen.
Unser Rentensystem belohnt Kinderlosigkeit und bestraft Menschen, die Kinder großziehen. Wen wundert es da, dass wir eine alternde Gesellschaft sind? Frauen haben lange dafür gekämpft einen Beruf erlernen und ausüben zu dürfen. Oft bleibt ihnen die Hausarbeit aber erhalten.
Obwohl bei uns junge Leute fehlen, leisten wir uns den Luxus, Menschen, die bei uns arbeiten wollen, in den Mittelmeerländern abzufangen und wie Verbrecher einzusperren. Freut Euch, dass die Leute kommen wollen und ändert endlich das Rentensystem!
Und unser Asylrecht? Im internationalen Recht gibt es den Asylgrund „Frau“ seit 1951, in Deutschland aber erst seit 2005. Unsere Rechtsprechung änderte sich dadurch kaum. Geflüchtete Frauen werden hier im Asylverfahren meist abgelehnt, wenn sie frauenspezifische Fluchtgründe geltend machen. Im Jahr 2014 wurden 33.000 Asylbewerberinnen in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt. Nur 624 durften wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung nicht abgeschoben werden. Das waren überwiegend Frauen, aber auch homosexuelle Männer. Gebt auch den Frauen aus den Lagern in den Mittelmeerländern eine Chance in Deutschland anzukommen. Sie sind in den Lagern in der Minderheit und müssen dort mit Gewalt rechnen. 2015 hat Karben – wie viele andere deutsche Gemeinden – Flüchtlinge aufgenommen. Einige von ihnen leben immer noch in einer Sammelunterkunft. Nach sechs Jahren ist es an der Zeit, diese Menschen in kleineren Wohneinheiten unterzubringen und die Mittelmeerländer bei der schwierigen Aufgabe zu unterstützen, die vielen Menschen auf der Flucht angemessen unterzubringen.
Eine vernünftige Entwicklungspolitik sollte ebenfalls die Frauen in den Fokus nehmen. Es besteht ein beachtlicher Zusammenhang zwischen dem Zugang der Frauen zu Bildung und dem Bevölkerungswachstum in einem Land. Auch in ärmeren Ländern bekommen gebildetere Frauen ihr erstes Kind später als Frauen ohne Ausbildung. Außerdem geben sie ihr Wissen meist an ihre Kinder weiter.
Der 111. Internationale Frauentag sollte für uns Anlass sein, der mutigen Frauen zu gedenken, die in den letzten 150 Jahren für mehr Geschlechtergerechtigkeit gekämpft haben. Wir sollten weiterhin nach Lösungen für eine gerechtere Welt suchen und versuchen bestehende Probleme zu beheben.