Mit Gottfried Lehr an der Nidda

Unterwegs entlang der Nidda

Am 8. Oktober führte uns der Gewässerökologe Gottfried Lehr entlang der renaturierten Nidda in Klein-Karben. Bei dem rund eineinhalbstündigen Spaziergang erläuterte der Fließgewässer-Experte aus Bad Vilbel, der für zahlreiche Renaturierungsprojekte in Hessen verantwortlich ist, die Ökologie und Geschichte der Nidda. Die über zwanzig Zuhörenden zwischen einem und 77 Jahren, GRÜNEN-Mitglieder und Gäste, waren bei schönem Herbstwetter zu Fuß und mit dem Fahrrad unterwegs und lauschten dem spannenden Vortrag, der am Ort des Geschehens Jung und Alt schnell in seinen Bann zog.

Die Maßnahmen

Die Ausgangslage kannten viele der Zuhörenden aus eigener Anschauung: die Nidda, ein trauriger Kanal. Denn im letzten Jahrhundert reagierte man auf Hochwassergefahr vielerorts mit Flussbegradigungen. Ein falscher Ansatz, wie man heute weiß. So schadete man nicht nur dem Ökosystem Auenlandschaft, sondern verlagerte auch Überflutungen an die großen Flüsse, zum Beispiel an den Rhein. Außerdem baute man viele Wehre, die für wandernde Fische nicht zu überwinden waren. Die Folge: Vor 50 Jahren gab es kaum noch Leben in der Nidda.

Inzwischen hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und gibt dem Fluss in aufwändigen Projekten Raum zurück. Einige Wehre wurden abgebaut oder mit Fischtreppen versehen. Der Fischbestand hat sich erholt, Barbe, Nase und Meerforelle fühlen sich in der Nidda wieder wohl. Vögel und auch der Biber kehrten zurück.

Hochwasserschutz in der Landschaft

Der Mensch hat von diesen Maßnahmen mehr als nur schöne Aussichten auf eine romantische Natur. Die von der Gerty-Strohm-Stiftung finanzierte Überschwemmungsfläche Gronauer Wiesen zum Beispiel, flussabwärts von Karben, war im Februar dieses Jahres komplett geflutet. Bei normaler Hochwasserlage. Extreme Situationen, wie diesen Sommer an Erft und Ahr, benötigen weitere Retentionsgebiete, da das Wasser ungeheure Kraft entfalten kann. So bleibt eine dichte Bebauung an Flüssen und in Auen immer riskant. Das gilt etwa für das Karbener Gewerbegebiet, das in der Flussaue errichtet wurde. Größere Probleme bei starkem Hochwasser sind nicht ausgeschlossen.

Bitte nicht im Fluss baden

Die Wasserqualität in der Nidda hat sich in den letzten 50 Jahren deutlich verbessert. Viele Kläranlagen wurden neu gebaut, vergrößert, modernisiert oder zusammengelegt. Seither gibt es eine geringere Phosphat- und Nitratbelastung im Wasser.

Noch sei die Gewässerqualität aber nicht so gut, dass man in der Nidda bedenkenlos baden oder gar daraus trinken könnte, warnt der Experte. Denn zahlreiche Kläranlagen, auch das Werk in Karben, entwässern in die Nidda. In heißen Sommern bestehe die Nidda zur Hälfte aus Klärwasser, das nicht ausreichend mit Flusswasser verdünnt werden kann. So ist das Wasser durch multiresistente Keime und Medikamentenrückstände belastet, die in dreistufigen Kläranlagen wie in Karben nicht entfernt werden können. Eine 4. Reinigungsstufe ist notwendig, in Hessen bisher aber nicht verpflichtend vorgeschrieben.

Probleme bereitet auch der Feinsedimenteintrag, die von den angrenzenden Feldern und über die Zuläufe in den Fluss geschwemmte Erde. Für die Kinderstube von Fischen und Wasserbewohnern ist Kies als Sediment sehr wichtig. Wenn Erde aber den Kies überlagert, kann sich der Fischlaich nicht mehr gut entwickeln und stirbt im ungünstigsten Fall ab. Im Dialog mit den Landwirten eine gute Lösung finden, rät Gottfried Lehr.

Mensch und Natur

Lehr lobte die Nidda-Renaturierung in Karben. Sie sei gut gelungen, weil es neben den Bereichen, in denen die Natur am und im Fluss beobachtet werden kann, auch Naturschutzzonen gibt, die nicht betreten werden dürfen. Hier bleibt den Tieren und Pflanzen Platz, sich ungestört zu entfalten. Der Nidda-Fachmann bietet alle eindringlich sich an die Beschilderung zu halten. Auch das Befahren mit Stehpaddeln und Kanus sei sehr schädlich für die Tiere. Sie werden aufgescheucht und die Gegend in absehbarer Zeit verlassen. Wassersport sollte deshalb nur in breiteren und tieferen Gewässern erlaubt sein.

Beate Knigge, die für uns den Nachmittag organisierte, fasst zusammen: „Es war ein wirklich spannender und kurzweiliger Vortrag. An der Nidda wurde viel erreicht, aber es gibt noch mehr zu tun, um die Natur als unsere Lebensgrundlage zu schützen und zu erhalten“.